2022
Onkologie
Was lässt Krebs einschlafen und wie erwacht er?

Dr. Ana Luisa Correia
Universität Basel
Friedrich Miescher Institute for Biomedical Research, Basel
Universitätsspital Basel
Viele Aspekte der Metastasierung, das heisst der Ausbreitung von Krebs auf andere Körperteile, sind nach wie vor rätselhaft. Zwar weiss man, dass Tumorzellen, die sich vom Primärtumor gelöst haben, bei vielen Krebspatient:innen nach der Ankunft in weiter entfernten Geweben in einen «schlafenden» Zustand übergehen und dort Jahre oder sogar Jahrzehnte überdauern, um dann irgendwann «aufgeweckt» zu werden. Was die Zellen jedoch einschlafen lässt und was sie letztlich dazu bringt, aus ihrem Schlaf zu erwachen und dann ungebremst zu wachsen, ist eine der fundamentalsten ungelösten Fragen der onkologischen Forschung.
Auch die Forschungsgruppe mit Ana Luisa Correia wollte einen wissenschaftlichen Mosaikstein dazu beitragen, um dieses Rätsel zu lösen. Sie entwickelte ein Werkzeug, um den schlafenden Tumorzellen nachzuspüren. Eine ihrer Erkenntnisse war, dass sich die schlafenden Tumorzellen von Mäusen mit Brustkrebs häufig in der Leber sammeln, wo sie von den körpereigenen natürlichen Killerzellen (NK) unter Kontrolle gehalten werden. Killerzellen sind bekanntermassen Teil des angeborenen Immunsystems und in der Lage, Krebszellen zu erkennen und abzutöten.
Die Wissenschaftlerin konnte nachweisen, dass für die Frage, ob Tumorzellen im Ruhezustand bleiben oder nicht, die Grösse des Killerzellenpools in der Leber entscheidend ist: Kommt es nämlich zu einer Verminderung der Abwehrzellen, erwachen die Krebszellen zu neuem Leben. Die Zahl der Killerzellen wird von den Hepatischen Sternzellen (HSCs) beeinflusst, die nach Aktivierung die Killerzellen hemmen. Solche Sternzellen tragen zur Regeneration beschädigter Leberzellen bei, scheinen aber auch bei der Bildung von Metastasen eine zentrale Rolle zu spielen.
Die Basler Forscherin und das Forschungsteam schlossen aus den neu gewonnenen Daten, dass eine Anti-Metastasen-Therapie den Erhalt eines grossen Bestands der natürlichen Killerzellen, der Krebszellen möglichst lange im Ruhezustand hält, fördern sollte. Am Universitätsspital Basel werden diese Erkenntnisse bereits in eine erste klinische Studie integriert.
Hepatic stellate cells suppress NK cellsustained breast cancer dormancy. Ana Luísa Correia, Joao C Guimaraes, Priska Auf der Maur, Duvini De Silva, Marcel P Trefny, Ryoko Okamoto, Sandro Bruno, Alexander Schmidt, Kirsten Mertz, Katrin Volkmann, Luigi Terracciano, Alfred Zippelius, Marcus Vetter, Christian Kurzeder, Walter Paul Weber, Mohamed Bentires-Alj.
Nature. 2021 Jun;594(7864):566-571. doi: 10.1038/s41586-021-03614-z.